Snoozen: Sinnvoll oder nicht? Warum die Wecker-Schlummerfunktion umstritten ist

Das Model 7H241 vom General Electric-Telechron war der erste Wecker mit „Snooze-Alarm“, mit einer Schlummerfunktion. Sie ließ Morgenmuffel neun Minuten länger in Ruhe schlummern, bevor der Wecker ein weiteres Mal seine Funktion erfüllt: Menschen akustisch aus dem Schlaf zu reißen. Inzwischen lässt sich die Snooze-Funktion bei etlichen Weckern und Handys personalisieren – etwa auf fünf, zehn oder 15 Minuten. Außerdem kann man sie beliebig häufig aktivieren, deswegen drücken sie viele gleich zweimal. Und noch einmal. Nur noch ein paar Minuten Schlaf. Okay, noch ein allerletztes Mal. Aber irgendwann heißt es: aufstehen.
Mit dem Schlummertaste-Spiel starten viele Menschen ihren Tag – Studien zufolge macht das mindestens jede und jeder Zweite. Morgenroutinen wie ein ausgewogenes Frühstück, Meditation oder Yoga wird nachgesagt, dass sie den Start in den Tag schöner gestalten. Die Schlummerfunktion genießt keinen derart guten Ruf, weshalb selbst routinierte Snoozer in einem Zwiespalt sind: das angenehme Gefühl, nach dem Klingelton noch ein bisschen weiterschlafen zu können, versus die Warnungen vieler Schlafexpertinnen und -experten vor negativen Konsequenzen.

Der Ratgeber für Gesundheit, Wohlbefinden und die ganze Familie - jeden zweiten Donnerstag.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Wer die Snooze-Funktion gern nutzt, dürfte zuletzt etwas erleichtert gewesen sein: Snoozen ist gar nicht so schlecht wie sein Ruf, legte eine Studie einer Forschungsgruppe der Universität Stockholm Mitte Oktober nahe. Es könnte demnach sogar von Vorteil sein, einige Male den Alarm wegzudrücken. Wir haben es also mit einer Art Aussage-gegen-Aussage-Situation in der Schlafforschung zu tun: Mal wird das Snoozen zum Feind gemacht, mal zum Freund. Dabei ist es individuell unterschiedlich, wie und ob uns die Schlummertaste helfen kann, wie auch die Forschenden der Studie betonen. Wann tut Snoozen also gut – und wann nicht?
Auch wenn die Meinungen über das Snoozen in der Schlafforschung auseinandergehen, sind sich Fachleute immerhin in einem Punkt einig: Die Schlummertaste ist nicht der größte Übeltäter, sondern der Schlafmangel. Überzeugte Snoozer – zu denen sich vor einigen Jahren auch die Schauspielerinnen Kate Hudson und Kate Walsh bekannten – drücken die Taste nicht nur, weil es ihnen so viel Spaß macht. Sie drücken sie vor allem deshalb, weil sie beim ersten Weckerklingeln noch viel zu müde sind. „Die meisten Menschen müssen für die Arbeit oder Schule viel zu früh aufstehen und kommen morgens folglich nur schwer aus den Federn. Von daher ist es ein Stück weit zu verstehen, dass viele die Schlummertaste nutzen“, sagt Schlafexperte Hans-Günter Weeß. Er ist Leiter des Interdisziplinären Schlafzentrums des Pfalzklinikums in Klingenmünster, Rheinland-Pfalz.
Die meisten Menschen in Deutschland bevorzugen es eigentlich, zwischen 23 und 2 Uhr ins Bett zu gehen – und morgens zwischen 7.30 und 9.30 Uhr aufzustehen. Sie gehören zu den Schlaftypen der sogenannten Tauben und Eulen. Anders als viele Lerchen, die lieber früher ins Bett gehen und früher aufstehen, sind sie häufig auf den Wecker am Morgen angewiesen – sie würden ansonsten verschlafen und zu spät zur Arbeit, Schule und Co. kommen. Und weil Tauben und Eulen selten schon ausgeschlafen und sich obendrein sehr träge fühlen, wenn der Wecker klingelt, drücken sie die Snooze-Taste. Oft sogar mehr als einmal.
Snoozen wird also als Mittel gegen die morgendliche Schlafträgheit eingesetzt – vorwiegend von Menschen, die entgegen ihrer inneren Uhr morgens zu früh aufstehen müssen. Warum ist das Snoozen aber überhaupt so umstritten? Nun, es gibt mehrere Kritikpunkte. Und einer davon ist: Snoozen sei kein guter Weg, das „Hangover-Gefühl“ nach einer zu kurzen Nacht am Morgen zu bekämpfen. „Man wird durch das Snoozen nicht so wach wie erhofft“, sagt Weeß. „Es ist viel effektiver, wenn man sich morgens unter die Dusche stellt oder Frühsport macht – das treibt das Herz-Kreislauf-System an.“

Dr. Hans-Günter Weeß ist psychologischer Psychotherapeut, Schlafforscher und Buchautor („Schlaf wirkt Wunder. Alles über das wichtigste Drittel unseres Lebens“). Er leitet die schlafmedizinische Abteilung des Pfalzklinikums Klingenmünster und lehrt an der Universität Koblenz-Landau.
Quelle: privat
Schlafmedizinerin Kneginja Richter hält das Snoozen dagegen nicht für einen schlechteren Weg, morgens aus dem Bett zu kommen. „Snoozen wird irgendwann lästig und dadurch steht man leichter auf“, sagt die Chefärztin der CuraMed Tagesklinik in Nürnberg. Auch die schwedische Studie unter Leitung von Schlafforscherin Tina Sundelin legte nahe, dass Snoozen bestimmten Menschen helfen kann. „Es könnte sogar dazu beitragen, dass diejenigen, die morgens schläfrig sind, nach dem Aufstehen etwas wacher sind“, schreibt Sundelin in einer Mitteilung ihrer Universität. Vor allem den Eulen, die zum Beispiel wegen früher Arbeitszeiten oft an morgendlicher Schläfrigkeit leiden, könne Snoozen helfen, indem es Schlafträgheit lindert.
Hans-Günter Weeß,
Schlafexperte
Der Haken an der Sache ist jedoch, dass Snoozen die tatsächliche Schlafdauer nicht verlängert. Kritikerinnen und Kritiker sagen gar: Wer mehr snoozt, schläft weniger. „Snoozen kann zwar dabei helfen, besser aus dem Bett zu kommen und weniger dieses ‚Hangover-Gefühl‘ nach einer kurzen Nacht zu haben“, sagt Schlafexperte Weeß. „Aber wer sich den Wecker noch früher stellt, um snoozen zu können, verzichtet nur auf erholsamen Schlaf.“ Das Problem sei, dass manche Menschen sich den Wecker für das Snoozen eine halbe Stunde oder noch früher stellen, bevor sie eigentlich aufstehen müssten. Gerade wenn die Nacht ohnehin schon kurz ist, verringert man dadurch weiter die Schlafdauer. „Wir sollten uns immer so spät wie möglich den Wecker stellen“, sagt Weeß.
Die individuelle Schlafenszeit mag sich durch das Snoozen verringern. Das bedeutet allerdings nicht, dass Snoozer weniger schlafen als andere. Eine 2022 veröffentlichte Studie der University of Notre Dame in den USA mit 450 Probandinnen und Probanden zeigte, dass Snoozer nicht weniger schlafen als diejenigen, die die Schlummerfunktion nicht nutzen. Außerdem fühlten sie sich nicht schläfriger und neigten auch nicht dazu, häufiger tagsüber zu schlummern. Zudem führte das Snoozen in der schwedischen Studie bei den Probandinnen und Probanden im Schnitt zu lediglich sechs Minuten verlorenem Schlaf.
Die Kritik am Snoozen richtet sich jedoch nicht nur gegen die Schlafquantität, sondern auch gegen die Qualität. „Der Schlaf wird deutlich weniger erholsam, wenn man in der letzten halben Stunde ständig die Snooze-Taste drückt“, sagt Weeß. Die US-Studie fand zudem heraus, dass Snoozer eine höhere Herzfrequenz aufwiesen – ein möglicher Grund könnte demnach Stress durch morgendliches Snoozen sein. Das Problem sei laut Weeß die wiederholten künstlichen Weckungen, die uns immer wieder aus dem Schlaf holen. Er empfiehlt daher, lieber den Wecker später zu stellen und dafür direkt beim ersten Klingeln aufzustehen – auch wenn es schwerfällt.
Kneginja Richter,
Schlafmedizinerin
Schlafmedizinerin Richter hält indes nichts davon, die Schlummertaste als Stressfaktor abzustempeln. „Da wird etwas zum Feind gemacht, das kein Feind ist.“ Die persönliche Einstellung zum Snoozen sei entscheidend dafür, ob es das Aufwachen weniger angenehm mache und Stress verursacht oder nicht. „Wenn ich das Snoozen als angenehm empfinde, dann wache ich damit weniger gestresst auf“, sagt die Expertin. Auch in der schwedischen Studie fand die Gruppe um Sundelin keine eindeutigen Hinweise darauf, dass der Schlaf dadurch weniger erholsam wird. Die Forschenden stellten keinen Anstieg des Stresshormonspiegels fest und auch die Stimmung und morgendliche Müdigkeit litt nicht unter dem Snoozen.

Kneginja Richter ist Schlafmedizinerin. Sie ist Chefärztin der CuraMed Tagesklinik in Nürnberg und Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg.
Quelle: MillerFilme
Übertreiben sollte man es mit der Schlummertaste aber nicht. Sundelin sagt, dass es angesichts ihrer Studienergebnisse bis zu 30 Minuten wiederholtem Snoozen „keinen Grund gebe, auf das morgendliche Snoozen zu verzichten“. Laut Richter gilt jedoch: Je kürzer man snoozt, desto besser. „Ein- bis zweimal snoozen ist besser als drei- bis viermal. Ansonsten gewöhnt man sich zu sehr daran, immer häufiger zu snoozen und verlängert nur das Leiden am Morgen, bevor man aufstehen muss“, sagt sie. Die Gefahr sei dann außerdem, dass man trotz Schlummer verschläft.
Apropos häufig snoozen: Einige Schlafforschende vermuten, dass man durch das ständige Aufwachen und Einschlafen Gefahr läuft, immer wieder in die Tiefschlafphase zu fallen. Wer in dieser Phase wieder aufwacht, fühlt sich oft besonders groggy. Laut Weeß ist die Wahrscheinlichkeit, in dieser Phase morgens aufzuwachen, aber sehr gering. „Die geht gegen null, weil wir unseren Tiefschlaf in den ersten zwei, drei Stunden des Schlafs durchmachen“, sagt er. Auch die schwedischen Forschenden stellten in ihrer Studie fest, dass die Teilnehmenden beim Snoozen nicht mehr in den Tiefschlaf fielen.
Wie das Snoozen unseren Start in den Tag beeinflusst, wird also viel diskutiert. Eine ebenfalls sehr häufig gestellte Frage ist aber auch: Beeinflusst snoozen den Tag? Schlafexperte Weeß sieht die Gefahr, dass man tagsüber die Quitting dafür zahlt, morgens die Schlummertaste gedrückt zu haben. Vor allem dann, wenn man zum Snoozen früher den Wecker stellt und weniger schläft. „Aufgrund des damit verbundenen weniger erholsamen Schlafes fühlt man sich nicht mehr so leistungsfähig“, sagt er.
Die schwedische Studie hat dagegen sogar nahegelegt, dass Snoozer nicht an kognitiver Leistungsfähigkeit einbüßen mussten. Sie schnitten in drei von vier Tests sogar besser ab als die Studienteilnehmenden, die direkt mit dem ersten Klingeln des Weckers aufstanden. Zu den Tests gehörten zum Beispiel Mathe- und Gedächtnisübungen. Allerdings handelte es sich bei der Versuchsgruppe um Menschen, die das Snoozen bereits gewöhnt waren – und womöglich auch deshalb keine negativen Konsequenzen gespürt haben. Das könnte wiederum aber auch bedeuten, dass sie auch dank des Snoozens am Morgen in der Lage sind, in kognitiven Tests gut abzuschneiden. Aber um das herauszufinden, bräuchte es mehr und genauere Untersuchungen.
Es ist schwierig, angesichts der vielen Pro- und Kontra-Argumente eine Antwort auf die Frage zu finden: Tut mir das Snoozen nun gut oder nicht? Viele Fragen rund um das Snoozen bleiben noch offen. Doch der bisherige Forschungsstand bietet trotzdem Orientierung für diejenigen, die sich unsicher sind, ob sie weiterhin auf die Schlummertaste hauen sollten oder nicht. Hier sind die zehn wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst:
- Schlafforschende sind sich einig, dass Snoozen dabei hilft, morgens aus dem Bett zu kommen.
- Snoozen kann Morgenmuffeln gegen Schlafträgheit am Morgen helfen, ist aber nicht das einzige Mittel dagegen.
- Auch eine Dusche am Morgen oder Frühsport kann uns wacher machen.
- Wenn sich das Snoozen angenehm anfühlt, kann man ruhig morgens in Maßen auf die Schlummertaste drücken.
- Allerdings sollte man sich fragen: Wie erholsam fühlt es sich für mich wirklich an, wenn ich immer wieder aus dem Schlaf geklingelt werde? Wenn das Snoozen am Morgen spürbar Stress verursacht, ist es keine gute Idee.
- Wer sich den Wecker zu früh stellt, um länger snoozen zu können, verzichtet auf ungestörten und erholsamen Schlaf.
- Daher gilt: Lieber kürzer snoozen, dafür den Wecker möglichst spät stellen.
- Snoozer schlafen Studien zufolge nicht weniger als Menschen, die mit dem ersten Klingeln des Weckers aufstehen.
- Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man beim Snoozen wieder in den Tiefschlaf fällt und dadurch mit einem besonders unangenehmen Gefühl aufwacht.
- Es gibt keine eindeutigen wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass Snoozen tagsüber die Leistungsfähigkeit verringert. Schlafmangel beeinträchtigt uns hingegen nachweislich.
rnd