Nach einem Verlust: Wie Reisen dabei helfen können, Trauer zu verarbeiten

Wenn wir einen geliebten Menschen verlieren, ist nichts mehr wie zuvor. In dieser Zeit der Trauer suchen viele Betroffene nach Wegen, mit dem Schmerz umzugehen – und für manche wird das Reisen zu einer heilsamen Erfahrung. Die Weite des Meeres und die Kraft der Berge können dabei helfen, Vergangenes zu verarbeiten und neuen Mut zu schöpfen.
Doch wann ist eigentlich der richtige Zeitpunkt, um aufzubrechen? „Es gibt kein zu früh oder zu spät“, sagt Psychotherapeut Dr. Andreas Schulze im Gespräch mit dem reisereporter. „Trauer ist ein Prozess, der extrem individuell verläuft. Ich arbeite gern mit dem Modell von William Worden. Es beschreibt vier Traueraufgaben: den Verlust als Realität zu akzeptieren, den Schmerz zu verarbeiten, sich in einer Welt ohne den Verstorbenen zurechtzufinden und schließlich ein neues Leben mit Platz für den Verstorbenen aufzubauen.“
Schulze ist Psychotherapeut mit dem Schwerpunkt Verhaltenstherapie. Er hat mehrere Jahre lang Patientinnen und Patienten in Wolfsburg bei Trauer und Verlust begleitet und aus seiner Praxiserfahrung heraus auch das Ratgeber-Buch „Wenn ein Kind gestorben ist oder Die Farben der Trauer“ geschrieben für Eltern, die ein Kind verloren haben.
Diese Schritte seien nicht linear, betont er, aber eines sei klar: „Ohne die Akzeptanz des Verlusts funktioniert der Rest nicht.“ Eine Reise kann in diesem Prozess neue Impulse setzen. Manche finden Trost in Retreats oder Schweigewochen, andere schöpfen Kraft beim Wandern durch die Natur, auf einer Pilgerreise oder bei einer Auszeit an einem vertrauten Ort. „Wichtig ist, dass man innerlich bereit ist, wieder soziale Kontakte zuzulassen und nicht länger nur im Kreis denkt. Das ist ein sehr individueller Moment.“

Auch Reisen in geführten Gruppen oder Angebote mit therapeutischer Begleitung können sinnvoll sein: „Trauerreisen bieten die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten auf den Weg zu machen und Erfahrungen zu teilen“, erklärt der Experte. Wer mit dem Gedanken an eine solche Reise spielt, sollte sich fragen, welches Ziel er oder sie verfolgt: „Geht es um soziale Kontakte, um Verständnis und Geborgenheit? Oder eher um Selbstfürsorge – darum, sich neu zu entdecken und Eigenverantwortung zu entwickeln?“
Denn viele Trauernde hätten lange Zeit nur im „Wir“ gelebt und müssten nach dem Verlust erst herausfinden, wer sie alleine sind. Eine Gruppenreise könne dabei helfen, diese neuen Rollen auszuprobieren. Auch der Blick über den eigenen Kulturkreis hinaus sei wertvoll. „Andere Länder gehen sehr unterschiedlich mit dem Tod um. Das kennenzulernen, kann neue Perspektiven eröffnen und helfen, die eigene Situation anders einzuordnen.“
Wer sich für eine organisierte Trauerreise entscheidet, sollte auf Qualität achten. „Das Wichtigste ist die professionelle Begleitung“, betont Schulze. „Die Leitung sollte in den Händen von ausgebildeten Trauerbegleitern oder Psychologen liegen – nicht von Menschen, die nur aus ihrer eigenen Betroffenheit sprechen.“
Seriöse Anbieter arbeiteten mit klarer Struktur: Tägliche Themenimpulse, die in Aktivitäten eingebettet und später in Gruppengesprächen reflektiert werden. „Diese Gespräche brauchen eine fachliche Moderation, damit sie allen Teilnehmenden guttun“, erklärt er. Auch die Größe der Gruppe sei entscheidend – zu viele Personen verwandelten die Reise schnell in eine Massenveranstaltung.

Am Ende gehe es aber immer um die Frage, was man selbst brauche. „Nach einem Verlust ist es wichtig, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse wieder wahrzunehmen“, sagt Schulze. „Viele entdecken dann Dinge, die sie aus Rücksicht nie getan haben – sei es ein Fußballspiel im Stadion des FC Barcelona anzusehen oder einen Töpferkurs in Bhutan zu machen.“
Entscheidend sei, in sich hineinzuspüren: „Wer bin ich jetzt? Was will ich wirklich? Wenn ich den Mut habe, diesen Weg zu gehen, werde ich auch ankommen.“

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- Nureto: Judith Zaremba hat Nureto nach einem persönlichen Verlust gegründet und bietet regelmäßig Trauer-Wanderungen auf dem Jakobsweg für kleine Gruppen an.
- Neustart Reisen: Ein neuer Anbieter von begleiteten Trauerreisen in kleinen Gruppen, bei denen es an sonnige Orte wie Korfu oder Madeira geht.
- Trau-Dich-Trauern: Der Verlust eines Kindes ist besonders schmerzhaft. Das Angebot „Trau-Dich-Trauern“ der österreichischen Arche Herzensbrücke richtet sich gezielt an Eltern und Geschwisterkinder, um ihnen in dieser schweren Zeit zur Seite zu stehen.
- Diakonie und Caritas: mehrtägige Reisen, Tagesausflüge und Trauerwanderungen bieten auch kirchliche Vereine wie Diakonie und Caritas an.
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