KI in der Medizin: Mehr Studien notwendig



Zu Chancen und Risiken der KI für die evidenzbasierte Medizin referierte Dr. Thomas Kaiser, der Leiter des IQWiG. / © Avoxa/Matthias Merz
KI-Anwendungen werden immer besser darin, riesige Datenmengen nach ganz bestimmten Informationen zu durchsuchen und diese Informationen dann in Form von selbst generierten Texten oder auch Bildern dem Anwender zu präsentieren. »Ermöglicht wurden die enormen Fortschritte der KI durch eine Explosion der Rechenkapazitäten«, sagte Kaiser. Diese sei noch nicht beendet, weitere Verbesserungen in der nahen Zukunft also zu erwarten.
Auch in der medizinischen Forschung und Anwendung hat KI längst Einzug gehalten. In den vergangenen Jahren habe die Zahl der Zulassungen für medizinische Produkte/Verfahren (Medical Devices) mit KI durch die US-amerikanische Aufsichtsbehörde FDA drastisch zugenommen. Die große Mehrzahl dieser Devices (77 Prozent) seien aus dem Bereich der Radiologie, zum Beispiel Befundungssoftware für die Auswertung von Aufnahmen bildgebender Verfahren.
»Das Problem dabei ist: Es ist relativ undurchsichtig, warum es diese Zulassungen gegeben hat«, sagte Kaiser. Auf der FDA-Website, die ansonsten für ihre große Transparenz bekannt sei, fänden sich nur sehr spärliche Informationen darüber, welche Daten im Einzelnen ausschlaggebend für die Zulassung dieser Devices waren.
Argumentiert werde oft damit, dass es diese Devices ohne die KI-Komponente bereits früher gab, sie also nicht gänzlich neu seien. »Das ist aber nicht regelhaft nachvollziehbar«, sagte der IQWiG-Leiter. Denn die KI beeinflusse oft die Entscheidung über eine Therapie. Das berge potenziell ein hohes Risiko.
Die Publikationen zu KI in der Medizin hätten in den vergangenen Jahren zwar stark zugenommen. Es seien aber nur wenige hochwertige Studien darunter. Das liege nur zum Teil daran, dass für Studien mit KI erst 2022 CONSORT-Kriterien (Consolidated Standards of Reporting Trials), ein anerkannter Qualitätsstandard für Studien, definiert worden seien. »Nicht nur in den USA und in China, die weltweit Vorreiter in Sachen KI sind, bestünde die Möglichkeit, KI in gut gemachten Studien zu testen, sondern auch hier in Deutschland«, sagte Kaiser. Diese Forschung werde zurzeit aber bedauerlicherweise vernachlässigt.
Aus seiner Sicht sei nicht die KI in der Medizin das Problem, sondern der Hype darum. »Man möchte KI unbedingt in der Regelversorgung haben und vergisst dabei, dass sie davor noch vernünftig untersucht werden muss.« Es müssten dieselben Regeln gelten wie für jedes andere medizinische Verfahren: erst Außenseitermethode, anschließend Erprobung und erst dann gegebenenfalls Etablierung als State of the Art. Nur auf diese Weise könne man sicherstellen, dass man mit der Verwendung von KI tatsächlich nicht mehr schadet als nützt.

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