Berlin Fashion Week: Das Label COLRS verspricht einen Sommer, der niemals endet

Der Kölner Designer Zec Elie-Meiré ist im Begriff, die Hauptstadt im Sturm zu erobern. Vor seiner zweiten Show auf der Berlin Fashion Week haben wir mit ihm gesprochen. Porträt eines Sonnenscheins.
Es ist Sommer 2017 und Zec Elie-Meiré hat gerade sein Abitur hinter sich gebracht. Er freut sich auf die neu gewonnene Freiheit, auf viel Zeit zum Skaten, viel Zeit zum Filme schauen. Auch Dennis Hoppers „Colors“ flimmert damals über seinen Bildschirm, ein Actionthriller aus dem Jahr 1988, der den Bandenkrieg zwischen den Bloods und Crips in Los Angeles thematisiert.
Eine Szene bleibt Elie-Meiré besonders im Gedächtnis: Als sich die verfeindenden Gruppen schlussendlich im Gefängnis gegenüberstehen, rufen alle durcheinander. „All I see is Colors!“, skandieren sie, „Colors, Colors, Colors!“ Diese Energie hat sich in das Gedächtnis des jungen Kölners eingebrannt, so erzählt er uns in einem Videocall.
Wir wollen mit Zec Elie-Meiré über COLRS sprechen, seine Modemarke, die er heute gemeinsam mit einem kleinem Team in seiner Heimatstadt führt – wie Colors, nur ohne das „o“. Nach seinem Berliner Debüt im vergangenen Februar wird seine Mode auch auf der kommenden Fashion Week, die am 30. Juni beginnt, zu sehen sein; zuvor hatte er sie etwa auf der Lagos Fashion Week in Nigeria und in einem eigenen Showroom während der Pariser Modewoche präsentiert.

Ein weiter Weg für ein Label, dessen Ursprung in einem Kölner Kinderzimmer liegt: Schon mit 16 Jahren, so erzählt Zec Elie-Meiré, habe er seine Begeisterung für Upcycling-Projekte entdeckt, für die Weiterverarbeitung, die Umwidmung ausgedienter Materialien also. Nachdem er eine Kölner Privatschule abgeschlossen hatte und endlich keine Uniform mehr tragen musste, habe sich für ihn eine ganz neue Freiheit eröffnet. „Statt für Klausuren zu lernen, habe ich jeden Abend Schuhe bemalt oder Hosen mit bunten Stoffen geflickt.“
Was er einmal werden wollte – davon hatte der gebürtige Kölner zuvor allerdings viele andere Vorstellungen gehabt. Bis zu seinem 16. Lebensjahr war er eigentlich überzeugt davon gewesen, er würde später als 100-Meter-Sprinter durchstarten; irgendwann wollte er stattdessen als Regisseur sein Geld verdienen. Zur Mode sei er dann weniger über einen konkreten Plan gekommen als über ein „unbestimmtes Gefühl“.
Um dieses inspirierende Empfinden zu beschreiben, bemüht Zec Elie-Meiré den Vergleich zu einem Sommer, der sich unendlich lang anfühlt: Bis tief in die Nacht mit Freunden draußen sitzen, die Wangen noch warm von der Sonne, ein leichter Wind um die Nase, der erste Kuss – das alles seien Jugenderinnerungen, die der 26-Jährige mit seiner Arbeit in das Bewusstsein der Betrachtenden zurückholen will. „Und ich habe gemerkt, dass Kleidung das Medium ist, mit dem das für mich am besten funktioniert.“

Vielleicht folgte Elie-Meiré tatsächlich der puren Intuition auf einen Weg in die Kreativszene. Vielleicht aber war dieser Schritt auch die logische Konsequenz aus einer Kindheit, in der Mode immer ein Thema gewesen war: Kleidung sei mehr als Oberfläche, sei Ausdruck von Persönlichkeit – das hatten ihm seine Eltern schon früh beigebracht.
Michelle Elie, die in Haiti geborene Mutter, ist Model, Stilikone, eine leidenschaftliche Sammlerin der Marke Comme des Garçons außerdem. Mike Meiré, der in Hessen geborene Vater, gehört zu den bekanntesten Artdirektoren Deutschlands und hat die renommierte Designagentur Meiré und Meiré gegründet. York Elie-Meiré, einer seiner beiden Brüder, leitet heute die Agentur Mutter, die auch das Label COLRS vertritt.

Gleich nach dem Abitur, erzählt Zec Elie-Meiré, habe er seine Mutter zur Paris Fashion Week begleitet und brav ihre Tasche getragen, „weil sie sich in ihren Kleidern oft kaum bewegen konnte“, erzählt er – und Kenner des avantgardistischen Labels Comme des Garçons können es sich lebhaft vorstellen. An einem verregneten Septembertag kam dann die Erleuchtung: „Es war kalt, nass, voll. Wir standen auf Holzbalken, der Boden war matschig“, erinnert sich Elie-Meiré an eine Modenschau des Japaners Junya Watanabe. „Aber dann setzte die Musik ein, das erste Model kam – und in dem Moment wusste ich, das will ich auch machen.“
Es folgten erste Erfahrungen in der Branche, Praktika bei Marni, Bottega Veneta und Nina Ricci; bei letzterem Label arbeitete Zec Elie-Meiré schließlich im Bereich Corporate Design, dann als Artistic Director of Visuals. Mit 22 Jahren verspürte er den Wunsch, sein Handwerk weiter zu vertiefen, und begann ein Studium der Herrenschneiderei an der École supérieure des arts et techniques de la mode, der „ESMOD“ in Paris.
„Ich entwerfe, was ich selbst tragen will“, sagt Zec Elie-Meiré heute – leuchtende Stoffe, farbintensiv, mal um schroffe Lederelemente ergänzt, dann wieder mit pinkfarbenen, glitzernden Pailletten versehen. Die Ästhetik von COLRS bewegt sich zwischen der infantilen Lust an allem Verspielten und einer kompromisslosen Klarheit, was die Schnittführung betrifft. Dabei fließen stets Elie-Meirés multikultureller Background und seine rebellische Energie mit ein.
Das wird auch in seinem Kölner Atelier deutlich, gelegen in einem innerstädtischen Industriebau, das parallel zu unserem Videocall einer unserer Fotografen besucht: Inspirierende Fotografien, Farbpaletten, Skizzen und Notizzettel hängen sorgfältig an einer dünnen Schnur nebeneinander; auf dem grauen Boden liegen Stoffreste, daneben grellgelbe Havaianas-Flip-Flops.
Magazine und Bücher stapeln sich auf Tischen, darunter der Bildband „Mario de Janeiro Testino“ mit einer tanzenden Gisele Bündchen auf dem Cover. In der oberen Etage des zweigeschossigen, offen gestalteten Ateliers steht ein langer weißer Tisch, an dem Zec Elie-Meirés Team arbeitet, darunter die Schneiderinnen und Schneider Julia Gottschick Daskalakis, Tim Welpotte und Barry Burant.

Warum COLRS heute nach wie vor in Köln beheimatet ist – und nicht etwa in Berlin, in Paris oder Mailand – beantwortet Zec Elie-Meiré fast einsilbig: „Ein Vorteil von Köln ist vielleicht gerade, dass sich hier nicht alles um Mode dreht.“ Außerdem seien die Kölnerinnen und Kölner, so wie er, stolz auf ihre Stadt, „immer am Start, wenn etwas Neues geplant wird.“
Auf die Berliner Modewoche freuen sich der Designer und sein Team trotzdem besonders – weil sie „in die Stadt, in der gefühlt das ganze Jahr Winter herrscht, einen ganzjährigen Sommer bringen“ wollen. Berlin sei zudem ein Ort, der junge Kreative fördere wie kaum eine andere Stadt, nicht zuletzt in Sachen Mode. Modenschauen wie jene von COLRS zum Beispiel, werden durch Fördergelder des Senats realisiert. „Immer wenn ich meinen Homies in Paris davon erzähle, sagen sie, sie wünschten sich fast, auch in Deutschland zu arbeiten“, sagt Elie-Meiré.

Am Donnerstag (3. Juli) präsentiert COLRS seine neueste Kollektion also abermals in Berlin. Nach der Fashion Week im vergangenen Februar, während der das Label zum ersten Mal auf dem Laufsteg der Hauptstadt zu sehen war, waren Elie-Meiré und sein Bruder York nach Brasilien gereist. „In Rio konnten wir dem Winter für eine kurze Zeit entkommen“, erzählt er; das pulsierende Chaos, die Strände, die Sonnenuntergänge hätten ihn zu seiner neuen Kollektion inspiriert. „Jumping Fences“, so heißt die Linie, die auch von den brasilianischen Kids handelt, die in Flip-Flops und Jeans unterwegs sind, auf Fahrrädern durch die Straßen flitzen, über Zäune springen, zum Strand rennen.
Die Kollektion soll in gewisser Weise auch eine Rückkehr zu Elie-Meirés Anfängen im Kölner Kinderzimmer verbildlichen, eine Hommage sein an das Upcycling, das immer auch den Moment des Unperfekten einschließt: Verschiedenste Recyclingstoffe nonchalant zusammengefügt, lebendige Farbkombinationen. Die Materialien dafür hat Zec Elie-Meiré über Jahre gesammelt: Stoffreste aus seinen Studienzeiten in Paris, Fundstücke von Flohmärkten in Brasilien und Marokko. Viel Denim wird dieses Mal zu sehen sein – ein Material, das der Designer in all seinen Spielarten mag, wenngleich „ich auch die klassische Herrenschneiderei sehr liebe“.

Eine kleine Vorschau mag Zec Elie-Meiré unserem Fotografen geben: Sichtlich stolz hält der 26-Jährige eine khakigrüne, schmal geschnittene Jacke in die Kamera, irgendwo zwischen tradiertem Blazer und lässigem Bomber. Sie besteht aus Stoffresten alter Militärreisetaschen der 1960er-Jahre, die der Designer zerlegt und präzise in neue Schnittmuster überführt hat.
Entlang innenliegender Nähte ist ein pinkfarbenes Zierband angebracht – ein Detail, das einmal mehr Zec Elie-Meirés Vorliebe für effektvolle Kontraste zeigt: das Abgenutzte, Rohe trifft auf das Erhebende, Verspielte. „Die Taschen haben ihre eigene Geschichte – und wir packen eben noch unsere Geschichte drauf“, sagt er, eine Geschichte über „die Kids, die auf ihre Fahrräder springen und die beste Zeit ihres Lebens haben.“ Es ist Sommer 2025 und Zec Elie-Meiré ist im Begriff, der Berlin Fashion Week, die sich oft genug bierernst und trist präsentiert hat, jugendliche Leichtigkeit einzuhauchen.
Am 3. Juli um 10 Uhr präsentiert COLRS in Kooperation mit dem NEWEST-Format der Berliner Kreativagentur Nowadays die Kollektion Jumping Fences – im FÜRST am Kurfürstendamm.
Berliner-zeitung