Die Deutschen sind «Kartoffeln» oder «Nazis». Und aus jungen Einwanderern werden Gangster: willkommen in der migrantischen Pop-Literatur


In der Morgendämmerung schmiert die Mutter für ihre Kinder rasch ein paar Brote und verstaut sie im Rucksack. Geht es auf eine Wanderung? Fast könnte man es meinen. Der Weg führt indessen aufs Ausländeramt. Und obwohl sich Mutter, Sohn und Tochter bemühen, möglichst früh im Amt zu erscheinen, treffen sie dort auf eine Kolonne migrantischer Leidensgenossen, alle mit einem Rucksack bewehrt. Die witzige Szene stammt aus «Vatermal», dem Debütroman des 36-jährigen deutsch-türkischen Autors Necati Öziri.
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Öziris 30-jähriger kurdischer Kollege Tahsim Durgun schlägt dramatischere Töne an, wenn er über Erfahrungen im Ausländeramt berichtet. In seinem schriftstellerischen Debüt «Mama, bitte lern Deutsch» erzählt er, wie er auf den Ämtern jeweils dolmetschen musste für seine Mutter; es handelt sich um einen autobiografischen Text.
Einmal ging es darum, eine abgelaufene Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Weil die Mutter vergessen hatte, die Originaldokumente mehrfach zu kopieren, schlug die zuständige Beamtin einen neuen Termin vor. Darauf wollte sich die Mutter nicht einlassen, weil sie einerseits im Büro ein funktionstüchtiges Kopiergerät herumstehen sah, das sie aus unerklärlichen Gründen nicht benutzen durfte. Andrerseits lag der Ersatztermin jenseits jener Frist, in der man die abgelaufene Aufenthaltsbewilligung nochmals verlängern konnte. Die Mutter geriet darüber so in Rage, dass sie so laut schimpfte, bis sie von einem Sicherheitsmann brachial hinausbefördert wurde.
Tatort AusländeramtDas Ausländeramt! Der Weg von der Einwanderung zu vorläufigem oder unbeschränktem Aufenthaltsrecht führt durch dieses Nadelöhr. Kaum verwunderlich, dass sich die Behörde als exemplarischer Tatort jener Literatur erweist, die Migration und Integration zum Thema macht. In den letzten Jahren hat sie in Deutschland einen eigentlichen Boom erlebt. Zahlreiche Autorinnen und Autoren haben sich einen Namen gemacht, indem sie, in eingewanderte Familien geboren, ihr Coming-of-Age in Deutschland literarisch verarbeitet haben.
Die Zeit war längst reif dafür. Im politischen Diskurs, der sich seit Jahren um Probleme der Immigration dreht, sorgte das Schweigen der Immigranten selbst für eine sonderbare Leerstelle. Bis das Thema zum literarischen Trend werden konnte, dauerte es offenbar Jahre und Jahrzehnte. Es brauchte seine Zeit, bis literaturaffine Secondas und Secondos den Kindergarten, die Grundschulen und das Gymnasium überstanden und ihren Bildungsweg durch ein akademisches oder künstlerisches Diplom krönten, um sich im Land der Dichter und Denker schliesslich unter die intellektuelle Elite zu mischen und mit Romanen oder Reportagen die literarischen Bestenlisten zu erklimmen.
Ihr Erfolg beweist, dass Integration möglich ist in Deutschland. Fast möchte man ein zweifaches Bravo rufen: ein Bravo auf die deutschsprachige Literaturszene, in der solche Karrieren keine Ausnahme mehr sind; und ein Bravo auf die Autorinnen und Autoren, die mit ihren Texten ihre Erfahrungen literarisch überzeugend aufgearbeitet haben.
Für die Protagonisten dieser migrantischen Belletristik allerdings beschränkt sich die Idee der Integration auf die formelle, juristische Akzeptanz. Die Identifikation mit der deutschen Kultur scheint ihnen zumeist weder möglich noch wünschenswert. Eine eigene Identität suchen sie vielmehr im Spannungsfeld ihrer lokalen Herkunft und der globalen Pop-Kultur. Weil sie sich aber in Deutschland behaupten wollen, passen sie sich den Gegebenheiten des Gastlands an.
Die Beherrschung der SpracheEine besondere Bedeutung kommt da der Sprache zu. Wer Deutsch beherrscht, fühlt sich bisweilen wie ein Eroberer. Er habe sich die Sprache derer angeeignet, «die über uns verfügen», so Tahsim Durgun triumphierend. Und der 48-jährige persisch-deutsche Autor Behzad Karim Khani lässt seinen Roman «Als wir Schwäne waren» (2024), der sich phasenweise wie eine Abrechnung mit deutscher Fremdenfeindlichkeit liest, mit einem Schwur enden: «Ich werde immer auf Deutsch schreiben. Mehr Happy End gibt es nicht.»
In Necati Öziris «Vatermal» soll Arda, die Hauptfigur, seine Einbürgerung zuletzt durch einen spontan verfassten Text beglaubigen. Und mit überquellendem Sarkasmus schreibt er: «Ich werde eure Töchter vögeln, bis sie arabisch sprechen. Ich klaue euren Söhnen die Praktikumsplätze, mache sie drogenabhängig und verkaufe ihre Organe auf dem Basar. Ich breche nachts den Stern von euerm Benz und trage ihn an meiner Halbmondkette. Ich will kein Arzt oder Anwalt werden, ich werde Superstar oder arbeitslos.» In der zynischen Tirade spiegeln sich all die negativen Stereotype, die deutsche Bürger offenbar auf die Immigranten-Jugend zu projizieren pflegen.
Allerdings muss man hier anmerken, dass sich die postmigrantischen Autoren ihrerseits weitgehend auf Klischees und Projektionen beschränken, sobald sich deutsche Bürgerinnen und Bürger auf die Seiten ihrer Romane verirren. Mit der Ausnahme einiger Lehrerinnen und Lehrer, deren Support in Nebensätzen kurz gewürdigt wird, trifft man kaum einen Deutschen oder eine Deutsche mit differenziertem Profil und erst recht nicht mit einem sympathischen Charakter. Die Romanfiguren leben in Neukölln, Oldenburg, Bochum oder Heidelberg in einer eigenen Welt, in der sich Deutschtum nur in den Klischeefiguren übelgelaunter «Nazis», «Almans» und «Kartoffeln» manifestiert.
Die deutschen Bürgerinnen und Bürger schreien durch Treppenhäuser, weil die Ausländer angeblich zu laut sind. «Ruhe da oben, wir sind hier nicht auf dem Basar», schreit jemand in Öziris «Vatermal». Tahsim Durgun erinnert sich an Beleidigungen wie diese: «Zurück in den Kanakenblock mit euch» oder: «Thilo Sarrazin hat recht! Das kann nicht lange gutgehen mit euch!» Die Häufung ähnlicher Zitate spricht zwar für ihre Authentizität, und doch handelt es sich um ein tendenziöses Filtrat.
Die dummen DeutschenDie Klischees dienen der Satire. Neonazis in Springerstiefeln trampeln oft als Nazi-Karikaturen durch die Romane; für ihr Nazitum müssen sie ähnlich büssen wie die Römer in «Asterix»-Comics. In «Als wir Schwäne waren» wird ein ungeschickter Glatzkopf von einem Roma verhöhnt und verdroschen. Der Ich-Erzähler kommentiert: «Ich denke, dass das einer der glücklichsten Momente meiner Jugend war.» In der Kurzgeschichte «Mo, der Panther und Petra, der Funker» setzt der deutsch-bosnische Schriftsteller Saša Stanišić den Nazi Siggi nicht nur harmlos, sondern auch strohdumm in Szene. Das zeigt sich beim Kartenspielen: «Siggi verlor auch dann, wenn wir ihn gewinnen liessen.»
Die Satire hat meist den ätzenden Gout des Ressentiments, der sich nicht selten auch in allzu simplen Szenen ausdrückt. Mein Gott, denkt man sich zuweilen bei Behzad Karim Khani: Der schreibt mit Tempo und Eleganz – doch plötzlich drückt er auf die Tränendrüse: Einer seiner Helden erinnert sich wiederholt daran, wie er sich als Junge ein Vogelnest anschauen wollte, um das Küken zu streicheln – prompt pfiff ihn eine böse deutsche Nachbarin zurück: «Deutsche Kinder würden so etwas nicht tun», keifte die alte Vettel. Typisch deutsch?
Auch Witze sind manchmal Glücksache. Necati Öziri, der offenbar demonstrieren will, wie abgehoben und lebensfremd die deutsche Studentenschaft ist, erfindet junge, abgehobene Germanisten. Diese finden es wahnsinnig lustig, dass Kleist dem Goethe «eins aufs Maul hauen wollte», weil dieser seine «Penthesilea» nicht mochte. Als wüssten deutsche Studenten noch etwas von «Penthesilea». Kennen sie überhaupt noch Kleist, lesen sie Goethe? Jedenfalls scheint hier die Komik an der Wirklichkeit abzuprallen.
Aufwachsen im GhettoGründe für die antideutschen Ressentiments und literarische Karikaturen scheinen auf der Hand zu liegen. Das räumliche und kulturelle Ghetto bildet den Rahmen, in dem die Protagonisten aufwachsen. Diese Ausgrenzung führt offensichtlich dazu, dass sich der Kontakt zur deutschen Bevölkerung auf oberflächliche, durch gegenseitige Vorurteile erschwerte Begegnungen beschränkt.
In Bezhad Karim Khanis Romanen wachsen die Hauptfiguren in Wohnblöcken auf, wo es «nach Armut, Majoran und Bockshornklee» riecht. Und wenn sie in der Schule auf deutsche Gleichaltrige treffen, werden sie als «Gastarbeiterkinder» gebrandmarkt. Deutschland sei ein Land, in dem der Satz «Du bist Gast» eine Bedrohung sei, heisst es in «Als wir Schwäne waren».
Für die Häufung negativer Stereotype gibt es aber auch eine literarische Erklärung: Bei den Romanen der Secondo-Autoren handelt es sich zumeist um eine hybride Belletristik, in der sich der Dualismus von Herkunft und deutscher Gegenwart in unterschiedlichen Tonlagen und Stilen ausdrückt. Analytische Familiengeschichten einerseits, andrerseits eine Genre-Literatur, die von Hip-Hop und Pop ebenso inspiriert ist wie von Abenteuer- und Trivialromanen, in denen mit Klischees jongliert wird.
Bleibt der Fokus auf der Elterngeneration, bedienen sich die Autoren fast durchwegs einer nüchternen Hochsprache. In analytischer Absicht geht es ihnen darum, das Schicksal ihrer Väter und Mütter verständlich zu machen. Diese werden dabei oft idealisiert in ihrer moralischen Integrität oder allenfalls dafür entschuldigt, dass sie an deutschen Gegebenheiten scheitern. Dabei geht es um kulturelle Probleme wie Sprache, Umgangsformen, Sitten und Gebräuche. Die Religion hingegen wird überraschend selten zum Thema.
In «Dschinns», einem Roman der kurdisch-deutschen Journalistin und Autorin Fatma Aydemir, unterstreicht der Tod die Unmöglichkeit, sich in der deutschen Fremde zu integrieren. Der Vater ist aus Deutschland nach Istanbul zurückgekehrt; in einer neu erworbenen Wohnung wollte er seine Familie zusammenbringen. Aber nachdem er an einem Herzschlag gestorben ist, sorgt stattdessen seine Beisetzung für die Zusammenkunft seiner Frau und seiner vier Kinder. Ihrem Leben in Deutschland wird je ein Kapitel gewidmet, bevor der Roman mit einer Coda über die Verzweiflung und den Tod der Mutter endet.
Auch die Eltern in den Romanen von Öziri und Karim Khani finden in deutscher Emigration kein Glück. Es handelt sich um Akademiker, die einst in der Türkei oder in Iran für Freiheit gekämpft haben, bis sie in den Westen fliehen mussten. Von der liberalen und kapitalistischen Gesellschaft sind sie enttäuscht. Deutschland nimmt sich für sie wie die Konkursmasse ihrer einstigen demokratischen Ideale aus.
Bei Behzad Karim Khani konkretisiert sich die Unsicherheit einer Vaterfigur beispielhaft in obsessiven Geschichtsstudien. Um das Wesen der Deutschen zu verstehen, beschäftigt sich der Vater mit dem Nationalsozialismus. «Und je mehr er das tut, umso schlechter lässt sich sagen, wen er meint, wenn er von ‹ihnen› spricht. Die Nazis oder die Deutschen.» Die Mutter in «Dschinns», die in der türkischen Provinz aufgewachsen ist, erfährt in Deutschland überhaupt zum ersten Mal vom Holocaust und fragt sich erschrocken, in was für ein Land sie geraten ist.
Auf der StrasseSo viel zu den Eltern. Sobald die jungen Romanhelden aber die Wohnung ihrer Väter und Mütter verlassen haben, herrschen neue Verhältnisse – literarisch wie faktisch. Draussen fügen sie sich in eine Strassenkultur ein, die sich in der Sprache von Boulevard, Pop und Gangster-Rap manifestiert. Das Leben unter Jugendlichen wird nun mit viel Anleihen beim Slang erzählt.
Besonders auffällig ist die Zweispurigkeit von Familien- und Genre-Roman in Necati Öziris «Vatermal». Der Wechsel in Sprache und Tonfall erfolgt hier buchstäblich von einer Seite zur anderen. Berichtet der Erzähler zuerst über das Leben der Eltern und der Schwester, lässt er sich plötzlich von den Stereotypen aus Gangster-Rap und Gangster-Serien inspirieren. Und sein Roman erzählt nun, wie sich die Hip-Hop-Fans in der Clique durch ihre Jugend und Pubertät kämpfen.
Hannelore Foerster / Imago
Ihre Peers heissen in «Vatermal» Bojan, Dani und Savas – in «Als wir Schwäne waren» geht es um Yassir, Franky, Serdar und Hamid. Die Namen deuten auf die unterschiedliche Herkunft hin. Die Jungs aber finden in Gemeinschaften zusammen, in denen sie ihre «Kanaken»-Identität positiv umwerten. Sie sind stolz auf den migrantischen Hintergrund und fühlen sich den gleichaltrigen, verwöhnten Deutschen überlegen – weil sie die Härten des Lebens zu kennen glauben. Deutsche werden nur ausnahmsweise aufgenommen. In «Vatermal» wird der deutsche Junge Dani ausdrücklich nur deshalb akzeptiert, weil er der Sohn einer mittellosen, alleinerziehenden Mutter ist. So spielt dann auch das soziale Milieu in die Kanaken-Kultur hinein.
Typisch für diese Freundschaften scheint auch die weitgehende Abwesenheit von Mädchen. Die Mütter spielen eine bedeutende Rolle in den migrantischen Romanen; auch die Schwestern kommen zu ihrem Recht. Bei den jungen Frauen, denen die Protagonisten auf der Strasse begegnen, handelt es sich, sexistischen Hip-Hop-Klischees entsprechend, entweder um aufgebrezelte «Bitches» oder um kühle Prostituierte. Salaam, der Held in Bezhad Karim Khanis Romanerstling «Hund Wolf Schakal» (2022), lässt sich von einer Prostituierten befriedigen, bevor er im Knast landet, und von einer anderen, wenn er aus dem Knast herauskommt. Weitere Frauen lernt er nicht kennen.
Während Necati Öziri oder Saša Stanišić zumeist einen satirischen Ton anschlagen, forciert Behzad Karim Khani immer wieder auch ein gewisses Pathos: Die Secondos sind bei ihm Opfer der Ausgrenzung, die deshalb zu Tätern werden. Als Dealer und Diebe organisieren sie sich in mafiaartigen Gangs, in denen brachiale Gewalt die Hierarchie bestimmt.
Die deutsche Kritik akzeptiert das oft als berechtigtes Argument. Khani zeige eine Situation, «an der wir auch Schuld haben, er beschreibt, wie junge Männer, die aus fremden Ländern kommen, bei uns zu Gewalttätern werden, weil wir sie falsch einschätzen, falsch behandeln», meinte etwa die Literaturkritikerin Elke Heidenreich im «Literaturclub» des Schweizer Fernsehens. Und in der «FAZ» schrieb Anna Flörchinger: «Nur die Umstände haben die Protagonisten zu ihren Verbrechen gebracht.»
Das mag nicht falsch sein. In der migrantischen Literatur spiegelt sich gewiss viel Realität. Und doch geht es einem bei den Gangsta-Passagen wie beim Gangsta-Rap: Es ist schwierig, zwischen Rollenspiel und spontanem Verhalten zu unterscheiden. Die Jungs in Khanis Romanen fühlen sich selbst nicht unbedingt als Opfer. Mit kleinkriminellen Machenschaften scheinen sie sich weniger gegen eine feindliche Umwelt aufzulehnen, eher kopieren sie die Gangsta-Attitüden ihrer Rapper-Idole. «Die erste Frage, die wir stellen, bevor wir uns für einen Rapper entscheiden, ist: Ist er echt? Und mit ‹echt› meinen wir immer ‹kriminell›», wird in «Als wir Schwäne waren» erklärt.
Hip-Hop scheint sich eben unter den Kanaken-Freunden als verbindende, grenzüberschreitende Kultur zu bewähren, das zeigt sich in all den genannten Romanen, ganz egal, ob sie in den neunziger Jahren spielen, zu Zeiten von Tupac Shakur und Notorious B.I.G., oder zu Beginn des nächsten Jahrzehnts, in dem die Peers für Deutschrapper wie Kool Savas oder Azad schwärmen. Passend zur Hip-Hop-Kultur messen die migrantischen Autoren auch den Kleidern sehr viel Bedeutung bei. Wenn Tahsim Durgun in «Mama, bitte lern Deutsch» seinen Buddy beschreibt, mit dem er eine Party besucht, liest sich das so: «An diesem Abend trug er ein braun kariertes Hemd von Hilfiger, eine Armbanduhr von Daniel Wellington, eine Umhängetasche von Armani.»
Als Statussymbole sind insbesondere Sneakers manchmal von gefährlicher Relevanz. Wer die falschen Marken trägt, kommt nicht gut an. In «Als wir Schwäne waren» schlägt ein Sizilianer seinen eigenen Vater so lange, bis dieser ihm die angesagten «Air Force 1»-Schuhe von Nike kauft. Derweil erhält der Protagonist des Romans von einem Kumpel ein Paar «Big Airs» geschenkt, die seinem Ego zwar schmeicheln. Sobald er nach Hause in die integre Welt seines Vaters zurückkehrt, versteckt er verschämt die vermutlich gestohlenen Sneakers.
Eine Art LeitkulturDer Kult um Labels erinnert an die deutsche Pop-Literatur. Etwa an Christian Krachts Schwäche für Barbour-Jacken, die er auf den ersten Seiten seines Debütromans «Faserland» beschrieben hat. Aber das ist nicht die einzige Parallele. Auch in Krachts Erstling, der von Sylt nach Zürich führte, wimmelte es von Klischee-«Nazis» und Klischee-«Kartoffeln». Reale Deutsche interessierten den Autor offenbar so wenig wie die provinzielle Idee einer auf die Nation bezogenen deutschen Literatur.
Umso grösser ist Krachts Interesse für Immigranten. Von ihnen scheint er sich geradezu eine kulturelle Öffnung erhofft zu haben. In «Faserland» jedenfalls schrieb er: «Vielleicht wird der Osten den Westen überrollen mit seiner Ruhe und seinen Trainingsanzügen. Das wäre beruhigend, muss ich denken, wirklich sehr beruhigend, denn ein lilafarbener Ost-Mensch ist mir immer noch eine Million Mal lieber als so ein Understatement-West-Mensch, der irgendwo in einer Einkaufspassage Austern schlürft.»
Fast könnte man meinen, die Pop-Literatur habe den Secondo-Autoren das Tor zur deutschen Literatur geöffnet: als eine deutsche Leitkultur, die aus Deutschland herausführt – in den globalen Raum der Pop-Kultur.
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